Kundenfeedback richtig einschätzen: Einzelfall oder Spitze des Eisbergs?

Beschwerden - Einzelfall oder Spitze des Eisbergs

Kundenbeschwerden können schnell als lästige Unterbrechung wahrgenommen werden – dabei sind sie oft wertvolle Hinweise, um Serviceprozesse und Produkte zu verbessern. Die Kundschaft beschwert sich und schon ändert sich das Angebot, der Service, der Preis, die Abwicklung. Wohl kaum. Wann aber ist es richtig, sich dem Kundenwillen zu beugen und wann nicht? Ein Tweet (neuerdings „Beitrag auf x.com“) hat diese Woche eine kleine Diskussion zum Thema Öffnungszeit beim Bäcker entfacht und natürlich wurde das allseits beliebte „aber die Kunden wollen das so“ ausgegraben.

Inzwischen ist der Beitrag nicht mehr öffentlich sichtbar, er lautete aber in etwa so: Gestern habe man einen Bekannten getroffen, der berichtete, schon Feierabend als Bäcker zu haben, weil er seit Neuestem bereits um Mitternacht mit der Arbeit beginnen müsse. Vor der Pandemie hätte niemand erwartet, gleich morgens um 6 Uhr schon ein volles Sortiment vorzufinden aber heutzutage würden Kundinnen und Kunden das verlangen. Daher der frühere Arbeitsbeginn.

Nun, man kann trefflich darüber streiten, ob Bäckereien bereits „früher“ (da war ja eh alles besser) früher mit dem Backen begonnen haben oder ob das ein neues Phänomen sei. Entscheidend für mich beim Lesen war „… wollen die bei Ladenöffnung das ganze Programm“ und mit DIE war die liebe Kundschaft gemeint. Daraufhin wurde bei dieser Bäckerei offenbar der Arbeitsbeginn nach vorne verschoben.

Ob dem nun eine überwältigende Anzahl an Beschwerden zugrunde lag oder nicht, ist an dieser Stelle reine Spekulation, aber man kann davon ausgehen, dass die Bäckerei den Kundenwunsch so empfunden hat.

Kundenbeschwerden: Eine Chance für Veränderung?

Sind Kundenbeschwerden also stets eine Chance, sich zu verbessern? Die Antwort vorweg: JEIN. Es ist auf jeden Fall eine Möglichkeit zu reflektieren. Wichtig (und knifflig) dabei ist, allem voraus abzuwägen, ob es sich bei Beschwerden um Einzelfälle (also inhaltlich) handelt oder eher um die Spitze des Eisbergs. Erfahrungsgemäß ist es sinnvoll in diese Frage mehr Zeit zu stecken. Nicht, weil wir davon ausgehen wollen, dass die meisten Beschwerden ohnehin nur eintreffen, weil „die Kundin eh so schlechte Laune an dem Tag hatte“, „der Auszubildende da eben etwas noch nicht wusste“ oder die übliche Verkettung unglücklicher Umstände zur Reklamation geführt hatte. Vielmehr sollten wir hinter jeder Beschwerde vorrangig die Spitze des Eisbergs sehen. Emotionale Faktoren spielen die größte Rolle, wenn jemand sich beschwert. Im persönlichen Umgang ist es also wichtig, solche Signale rechtzeitig zu erkennen und entsprechend zu reagieren. Online – ganz gleich ob als Bewertung auf Google oder in einer anderen schriftlichen Form des Feedbacks – stehen zur Analyse nur die geschriebenen Worte zur Verfügung. Das verschafft einem mehr Zeit für eine Reaktion als im direkten Gespräch, allerdings ist oft auch gleich die ganze Öffentlichkeit involviert. Wie man mit solchen Beschwerden umgeht, ist ein Kapitel für sich.

Einzelfall oder Spitze des Eisbergs?

Danach wird es spannend: Ändern wir etwas? Ändern wir Öffnungszeiten, weil jemand um 8.50 Uhr ungeduldig durch die Glastür schaut? Nehmen wir Produkte ins Sortiment auf, weil jemand danach fragt oder verkaufen wir sie nicht mehr, weil sich jemand über die Qualität beschwert?

Und? Ist Ihnen beim Lesen sofort ein Unterschied aufgefallen, wie die innere Stimme auf die hypothetisch gestellte Frage geantwortet hat? Wenn Sie reagieren wie die meisten Menschen reagieren, haben Sie auf die beiden Fragen unterschiedlich reagiert. Genau dieser Unterschied ist es wert, genauer hinzuschauen:

Ins Sortiment aufnehmen = Ausprobieren, warum nicht?

vs

Artikel ist nicht gut? Aber er verkauft sich super, er bleibt!

Eine Beschwerde, besonders wenn sie gut begründet und detailliert ist, kann ein wertvolles Frühwarnsystem sein, das uns auf größere, noch unentdeckte Probleme hinweist. Es ist dabei allerdings wichtig, die Beschwerden in ihrem Kontext zu bewerten und zu überlegen, wie repräsentativ sie wirklich sind.

Regelmäßige Umfragen, Daten zu wiederkehrenden Themen und Monitoring-Tools helfen dabei, die wahre Tiefe des „Eisbergs“ zu erkennen.

Doch selbst wenn sich herausstellt, dass es sich um einen Einzelfall handelt – auch hier steckt eine Chance. Jede Kundenbeschwerde bietet die Möglichkeit, den eigenen Service oder das Produkt zu verbessern. Auch wenn das Problem nur bei einer Person auftritt, ist es nicht unwahrscheinlich, dass andere Kunden ebenfalls davon betroffen sein könnten, ohne es direkt zu äußern.

Präventives Handeln auf Basis einer einzelnen Beschwerde kann daher verhindern, dass sich ähnliche Probleme in der Zukunft häufen. Hier ist es entscheidend, eine Balance zu finden zwischen überstürztem Handeln und reflektiertem Vorgehen. Es muss nicht immer sofort eine grundlegende Änderung erfolgen, aber das Problem sollte gründlich analysiert werden, um potenzielle Ursachen und Lösungen zu identifizieren. Daher ist die Dokumentation und der Austausch im Team absolut unabdingbar. Kommunikation ist wie immer superwichtig.

Beschwerden im Team dokumentieren: Warum interne Kommunikation entscheidend ist:

Gerade einzelne Beschwerden können doch einen gemeinsamen Hintergrund haben.

Beispiel 1 in einem Softwareunternehmen:

Kunden melden sporadisch auftretende Fehlermeldungen in der Software. Es scheint kein gemeinsames Muster zu geben, aber ein erfahrener Entwickler erkennt, dass ein selten genutztes, fehlerhaftes Modul in bestimmten Nutzungsfällen aktiviert wird. Die sporadische Natur täuscht den Kundenservice, während eine tiefere Analyse das Problem im Software-Code offenbart.

Beispiel 2 im E-Commerce:

Unregelmäßig gibt es Beschwerden über ranzig schmeckende Lebensmittel. Im Kundenservice würde dies jeweils als Einzelfall betrachtet werden und ein Test des jeweiligen Produkts zeigt keinen abweichenden Geschmack auf. Eine Mitarbeiterin des Wareneingangs vermutete einen Zusammenhang mit verzögerter Einlagerung bestimmter Produkte, die an einem sonnigen Tag durch Zwischenplatzierung zu warm geworden waren. Das betraf jedoch nur immer eine „Schicht“ Produkte am Rand der jeweiligen Palette, weshalb nicht die gesamte Charge Beschwerden hervorgebracht hatte, sondern nur einige Einzelpackungen verschiedener Artikel, die viel zu warm geworden waren. Natürlich bedarf es detektivischen Spürsinns – allerdings wäre dieser nie geweckt worden, hätte die Kollegin von der Einzelfallproblematik nicht gewusst. Durch regelmäßigen Austausch auch über Abteilungen hinweg, konnte ein Problem beseitigt werden, das nicht nur Reklamationen hervorgerufen hatte, sondern womöglich auch zu Verderb von Lebensmitteln oder Nichteinhaltung von Temperaturvorschriften geführt hätte.

Wichtig ist also Austausch und Dokumentation. Ob in einem Unternehmens-Wiki (Buchtipp), einer regelmäßigen Ticket-Auswertung, schlichtem Erfassen in einer Liste und deren statistischer Auswertung oder dem Flurfunk: Je nach Branche, Unternehmensgröße und Ernsthaftigkeit kann das ein oder andere Mittel der Wahl das Effizienteste sein. Naja, der Flurfunk nicht, aber er ist ein Anfang. Am besten erarbeitet man in einem Workshop, was sich eignet.

Den Nebeneffekt mitnehmen: Jede Beschwerde ist die Chance, eine Kundin glücklich zu machen:

Letztendlich bietet jede Beschwerde die Möglichkeit, das Vertrauen und die Loyalität des Kunden wiederzugewinnen – oft sogar stärker als zuvor. Der Umgang mit Beschwerden ist also nicht nur eine Frage der Problemlösung, sondern auch eine Chance, die Beziehung zum Kunden zu festigen und das eigene Angebot kontinuierlich zu optimieren. Nicht zu schnell, nicht zu stark, nicht zu träge, nicht zu karg. Am besten mit einem Blick von außen.

Zufriedene Mitarbeiter, zufriedene Kunden: Interne Kundenperspektive: Wer sind denn die „Kunden“, auf die ich hören will?

Übrigens ist in Zeiten des Fachkräftemangels womöglich noch ein ganz anderer Blick auf die Dinge hilfreich: Der Begriff interner Kunde (und damit sind durchaus verschiedene Stakeholder und auch die Belegschaft gemeint) hilft uns hier. Bestes Beispiel: Bäckereien, die ganz neue Wege gehen und damit nicht nur glücklichere MitarbeiterInnen haben, sondern auch noch zufriedenere KäuferInnen. Hier in der Region gibt es beispielsweise eine Bäckerei, die tagsüber backt und bis zum Nachmittag verkauft. Wenn die Regale leer sind, ist der Laden wieder zu. Wer dort arbeitet hat Arbeitszeiten, die einem die Nacht zum Schlafen schenken. Und was ist passiert? 1. Die Menschen stehen Schlange, weil die Backwaren spitze sind (das wären sie auch zu anderen Uhrzeiten) und stören sich überhaupt nicht daran, mittags frisches Brot zu kaufen (statt eines, das bereits seit 12 Stunden im Regal liegt), im Gegenteil! 2. Die Inhaber sind glücklich, weil der Beruf ausgeübt werden kann, ohne abends noch vor dem Sandmännchen schlafen gehen zu müssen, Neueinstellungen gelingen sicher leichter als anderswo und die Öffnungszeiten sind absolut kein Hindernis für den Erfolg. Geht also auch.

Manchmal lohnt es sich auf Wünsche der „Kunden“-seite zu hören, manchmal kann man sogar zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen.

Jedenfalls geht starkes Beschwerdemanagement über die bloße Problemlösung hinaus. Es bietet die Möglichkeit, die Kundenbeziehung aktiv zu stärken und aus Kritik einen echten Wettbewerbsvorteil zu machen. Wer gezielt analysiert, erkennt Muster und kann Abläufe optimieren, bevor aus kleinen Unzufriedenheiten größere Probleme entstehen. In meinen Workshops lernen Sie, wie Sie Kundenfeedback strategisch nutzen, um nicht nur Beschwerden zu lösen, sondern Ihr Unternehmen zukunftssicher aufzustellen. Denn erfolgreiches Beschwerdemanagement ist immer auch ein Schritt zur kontinuierlichen Verbesserung. Und das ist mein größter Antrieb in der Beratung, getreu meinem Leitspruch:

Das geht besser! Versprochen.

Ihre

Sina Kistner

 

Kurze Zusammenfassung zu „Beschwerden – Einzelfall oder Spitze des Eisbergs“

  • Effektiver interner Austausch ist entscheidend, um Muster in Beschwerden zu erkennen.
  • Teamanalysen helfen, Muster zu erkennen und Probleme zu lösen.
  • Abteilungsübergreifender Austausch ist wichtig, um Ursachen frühzeitig zu erkennen.
  • Auch Einzelbeschwerden bieten Chancen zur Verbesserung.
  • Ein guter Umgang mit Beschwerden stärkt die Kundenbindung und den Erfolg.

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